Pressemeldungen der Europa-Union Leverkusen

Europa - Die sizilianische Mafia – der bewaffnete Arm der Politik

Vortrag Frau Dr. Anita Bestler, 14.03.2023, Forum Leverkusen

 

Am Dienstagabend begrüßte die ehemalige Vorsitzende der Europa-Union Leverkusen, Elke Müller sowie Dr. Günter Hinken von der Volkshochschule Leverkusen die Mafiaexpertin, Dr. Anita Bestler. Die Soziologin, die seit über 25 Jahren in Palermo lebt, erforschte jahrelang das komplexe Phänomen der Cosa Nostra. Ihre Ergebnisse präsentierte sie den zahlreichen Zuhörern, die sich am Dienstag im Forum Leverkusen eingefunden hatte.
Im ersten Block ihres Referats erläuterte sie die Entstehung der Mafia im 19. Jh. und ihre Entwicklung bis zur Gegenwart. Dabei ging sie auch auf die extrem gewalttätige Phase der 1970er- bis 1990er-Jahre ein, in der der Corleoneser Clan die Vorherrschaft übernahm. Auch wenn heute die Mafia für weniger Schlagzeilen sorgt, so die Referentin, ist sie doch keineswegs verschwunden – ganz im Gegenteil. Im zweiten Teil des Vortrags ging es um »mafiose Innensichten«, also um die Organisationsaufbau der Mafia, die Mitgliederrekrutierung und vor allem um die Art und Weise, wie die Organisation arbeitet. Dabei stellte die Forscherin heraus, dass die Mafia nur im Notfall zu Gewalt greift, stattdessen bemüht sie sich darum, den Konsens der Bevölkerung zu gewinnen, etwa indem sie gestohlene Gegenstände wiederbeschafft; hilft, Arbeitsplätze oder Sozialwohnungen zu finden und vieles mehr. Eine weitere »leise« Methode, zu der die Cosa Nostra gerne greift, ist die Korruption. So bemüht sie sich darum, Angehörige des Justiz- und Polizeiapparats, aber auch Verwaltungsbeamte oder Gefängniswärter zu »schmieren«, um diese auf diese Weise zum gewünschten Verhalten zu bringen. Und erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, greift die Mafia zur Gewalt, wobei ihre eine ganze Skala zur Verfügung steht: von Drohanrufen, symbolischer Gewalt wie abgeschnittenen Tierköpfen und Brandanschläge bis hin zum Mord. Am Ende betonte die Referentin, der Schlüssel zum Erfolg der Mafia sei ihre enge Beziehung zur Politik: Mafiosi würden den ihr verbundenen Politikern Gefälligkeiten erweisen, etwa Wahlstimmen organisieren, dafür würden diese sich im Gegenzug um Straffreiheit für die Kriminellen und um mafiafreundliche Gesetze bemühen.

Nach dem Vortrag setzte eine rege Diskussion ein, die auch auf einen aktuellen Prozess im vergangenen Herbst auf Sizilien gegen 90 Personen der Mafia hinwies, wo es um den Missbrauch von EU-Agrarhilfen ging. Die Verurteilten hatten jahrelang Druck auf Landwirte ausgeübt, um ihrer Grundstücke durch kostenlose oder fingierte Pacht habhaft zu werden. Damit wurden EU-Gelder abkassiert, ohne dass das Land jemals bewirtschaftet war. Oder die Mafiosi bekamen von Mitarbeitern öffentlicher Agrar-Hilfszentren Tipps über brachliegende Grundstücke, für welche sie dann ohne Eigentumstitel Subventionen beantragten.